Aus der Woche gegriffen: Ich, die integrationsunwillige Migrantin

oder: KEgIgA: Korntaler Eingesessene gegen die Integration grüßender NeubürgA

Wo derzeit so viel über die Problematik der Integration gesprochen wird, muss ich einfach dieses Schlaglicht auf meinen eigenen Migrationshintergrund werfen. Seit ein paar Wochen wohne ich in Korntal, Kreis Ludwigsburg, nahe Stuttgart. Eine holsteinische Migrantin im Herzen Schwabens. Anfangs war ich durchaus integrationswillig und suchte meine Aufgeschlossenheit durch freundliches Grüßen aller Nachbarn und sonstiger Begegnungen in diesem sehr dörflichen Ort zu unterstreichen. Allein - die kulturellen Unterschiede zwischen Norddeutschland und Schwaben wurden zum Integrationshindernis. Statt eines Gegengrußes ernte ich in (ungelogen) 80% aller Fälle: ein verstörtes Glotzen. 

Möglicherweise ist meine auffallende Gewandung (nein, keine Burka, sondern ein Parka, dank der Witterung und der Agilität meines Hundes gerne mal so sehr mit Schlamm verspritzt, dass nur noch schmale Seh-Schlitze sauber bleiben) Anlass für die pikierten Blicke und den Unwillen, sich durch einen erwiderten Gruß mit mir, dieser in der geleckten Vorgartengesellschaft offenkundig Fremden, gemein zu machen. Vielleicht ist auch mein Hund, das ungarische Schmuddelkind, ein Wolfpertinger mit Anleihen an Fledermaus, Ziege, Drache, Luchs und Schnauzer, aber ohne Stammbaum, kein angemessener Umgang für Mops, Ridgeback und Co.

Ist das aber ein Grund, eine freundlich grüßende Migrantin geradeheraus zu ignorieren? Gewiss, es gibt Ausnahmen, beispielsweise der liebenswürdige Vermieter, der sich vor Unterzeichnung des Mietvertrages so vielmals entschuldigte, dass der Garten nach dem kürzliche Tod seiner Frau "so ungepflegt" sei. Oder die mir verschwörerisch zuzwinkernde Frau mit dem wühl-wütigen Golden-Retriever-Mischling, die mir anvertraute, dass sie auch manchmal mit hundedreckiger Kleidung einkaufen gehe und sich dann trotzig über die gerümpften Nasen der Mitkunden freue. Ja, so könnte eine Parallelgesellschaft der Schmutzigen und Ungepflegten inmitten des "heiligen Korntal" entstehen...

Wenn, ja, wenn nicht die Ordnungshüter ein Auge darauf hätten! So fordert die Polizei im Amtsblatt alle Bürger dazu auf, "Fremde Personen" zu beobachten, sie ggf. nach den Gründen für ihren Aufenthalt in der gegebenen Nachbarschaft zu fragen und verdächtige Personen der Polizeit und den Nachbarn zu melden (Ziel dieser Maßnahmen ist die Verhinderung von Wohnungseinbrüchen, die bekanntlich von Fremden begangen werden). Eine schlammverhüllte Neubürgerin mit deutlichem norddeutschen Akzent und ein Schwarzer [Hund] aus Osteuropa- eine Keimzelle der Kleinkriminalität.

Neulich auf dem Heimweg gegen 20.30 Uhr abends zog ich meinen Rollwagen die Korntaler Ortsstraße entlang. Ich trug einen langen Mantel, der ehemals meiner Oma gehört hat und mir zugegebenermaßen nicht gut steht, und eine alte Mütze auf dem Kopf, weil alle meine übrige Kleidung in der Wäsche war, damit ich dem Korntaler Tageslicht am nächsten Morgen wieder sauber und ordentlich entgegen treten konnte. Da hörte ich, dass ein Auto langsam von hinten an mich herangefahren kam. Ich dachte, da wolle einer abbiegen, und blickte mich um - und blickte zwei Polizisten ins Gesicht, die mich mißtrauisch musternd anstarrten. Als sie sahen, dass ich vom Gesicht her nicht ganz so penner-verdächtig war wie meine Garderobe, fuhren sie sichtlich erleichtert weiter. Es grenzt also in der Tat an ein Verbrechen, als mittellos erscheinender Mensch zu vernünftiger Zeit in Korntal unterwegs zu sein.

Ich muss gestehen, dass solcherlei Vorkommnise, die nun, nach über zwei Monaten Beobachtungszeit leider nicht als Ausnahmen, sondern als die Regel gelten müssen, meinen Integrationswillen nachhaltig negativ beeinflussen. Ich radikalisiere mich. Neulich habe ich mit dem Finger in den Staub auf dem Lack eines schlammverschmierten Lieferwagens geschrieben: "Dieser Dreck gefällt mir". Ich habe einen zunge-herausstreckenden Smily an die frostbeschlagene Scheibe eines der vielen saubergeleckten Porsches in meiner Straße geritzt. Ich gehe neuerdings mit dreckigen Gummistiefeln einkaufen. Ich wünsche Menschen, die mich nicht zurückgrüßen, sondern mich im Vorübergehen hälsewendend anglotzen, fröhlich "...trotzdem einen schönen Tag!". Ich bin eine Integrationsverweigererin.

 

Fremde

Nötigung durch Gruß und Erregung öffentlichen Ärgernisses durch ungepflegte Erscheinung: Die Korntaler Polizei bittet um sachdienliche Hinweise zur Ergreifung dieser Fremden.