Aus der Woche gegriffen

 

Wir zwei

 

Hundetag

 

Geliebter Dagur,

Hunderling,

Schwätzchen (=schwarzes Schätzchen),

Schnauzerle (wie die netten Menschen dich hier nennen),

jetzt bist du ein Jahr bei uns. Heute ist Hundetag. Als der Herr und ich (die Herrin – du weißt ja, wie das gemeint ist; „Frauchen“ und „Herrchen“ steht uns einfach nicht!) noch in Amerika waren und uns gefragt haben, wie der „President’s/-s’/-s Day“ wohl geschrieben wird, haben wir versucht, uns die verschiedenen Bedeutungen anhand eines uns eingängigen Beispiels klarzumachen. Wir fragten uns, wie im Deutschen ein „Hunde-Tag“ zu verstehen sein könnte: ein Tag für den einen Hund, oder des einen Hundes, ein Tag für Hunde oder der Hunde – und wir kamen darauf, dass wir den Vielklang dieser Bedeutungen des gesprochenen Wortes mochten.

 

Wedeln

 

Jetzt guckst du und wedelst aufmerksam, weil du nicht verstehst, was diese Wortklauberei soll. Es ist auch egal, Menschen, die sich schlau fühlen, machen das manchmal. Was aber wichtig ist: Dass dem Herrn und mir sofort klar war, dass es einen Hundetag geben wird. Und sobald diese Idee geschöpft war, hatten wir ein noch nicht festgelegtes Datum, auf das wir uns sehr sehr sehr gefreut haben. Der Tag, da unser Hund in unser Leben treten würde, sollte der Hundetag werden und für alle Zeiten in die Familiengeschichte eingeschrieben bleiben. Jetzt wedelst du noch mehr, weil du zwar nicht weißt, was für ein wichtiges Datum du uns geschenkt hast, aber du spürst den Zauber des Hundetages, des Tages, an dem wir einander geschenkt wurden.

 

Warten

 

Du hast so lange warten müssen und wir auch. Weißt du, seit ich mit dem Herrn zusammen bin, verstehen wir uns als Rudel. Als unvollständiges Rudel, dem noch das Kernstück fehlt: der Hunderling. Und du? Weißt du noch, was du dir die langen Jahre gedacht hast, als du dort in deiner Zelle saßest? Oder noch früher, als eine zu enge Kette eine tiefe Wunde in deinen Hals schnitt? Ich hoffe, dass du es vergessen hast und wenn nicht: dass du es vergessen kannst, wenn die Zeit, da du bei uns bist, immer länger wird und sich anschickt, mit jedem Tag die Zeit einzuholen, die du hast warten und leiden müssen. Sechs Jahre.

Heute ist es also ein Jahr her, dass wir nach Ungarn aufgebrochen sind, um dich zu finden. Liebe auf den ersten Schleck. Weißt du noch, wie wir spazieren gegangen sind und du dich schon ganz eng am Herrn hieltest und ihn mit deiner Nähe verzaubert hast? Und mich erst! Und dann haben wir dich am nächsten Tag einfach mitgenommen. Haben dich zwölf lange Stunden in einem kleinen Auto umhergefahren und immer einer von uns saß hinten bei dir und hat dich gestreichelt, damit du lernen solltest, dass wir es trotz aller Strapazen gut mit dir meinen.

 

Untersuchung

 

Weißt du noch, wie wir angekommen sind und du vorsichtig, aber ohne Furcht durch die Wohnung gestrolcht bist und alles untersucht hast? Zwischendurch bist du immer wieder zu uns gekommen, die wir still und verzückt dastanden und dir zugesehen haben, und hast gefragt, ob das in Ordnung ist, was du machst, ob du hier bleiben wirst und ob wir dich wirklich mögen. Als du alles fertig angesehen und berochen hast, kamst du zu uns, sankest auf den Boden und hast uns deine Kehle, deinen Bauch und deine Beininnenseiten gezeigt. Einfach so. Von dir aus. Weil du sagen wolltest: Ich möchte euer Hund sein. Darf ich?

Ach mein lieber Dagur, wir haben geweint ob deiner Verständigkeit, ob deiner Liebe und deines Vertrauens, Vertrauen trotz allem, was du erlebt hast, Vertrauen nach nur eineinhalb Tagen, die du uns kanntest.

 

guckstDu

 

Was haben wir seitdem erlebt!

 

 

Daemon

 

Wir haben den Dämon in dir kennen und lieben gelernt und ihn schließlich so gut wie weggeliebt (ganz so, wie der Herr es vorausgesagt hat).

Wir haben zusammen den abschätzigen Blicken der Schwaben getrotzt (und tun es immer noch täglich).

 

In einem Zuge

Wir sind zusammen gereist (und du verwunderst stets immer alle Mitreisenden – und uns –, wie geduldig und duldsam du bist).

 

Wenn wir die Reise vorbereiteten, hast du äußerste Sorge dafür getragen, dass wir dich nicht vergessen (und dich mitten auf oder in die Rucksäcke, Koffer und Taschen gelegt, dich auf die Schuhe gesetzt, die wir gerade anziehen wollten, und manchmal am liebsten selbst fahren wollen).

 

Autohund
Zelt

 

Wir haben zusammen im 2-Mann-Zelt gekuschelt (du fandest es urgemütlich, der Herr und ich haben dir ja auch den meisten Platz gelassen…).

Wir sind mit einander durch Wald und Feld gestrolcht (wir brauchen ja alle drei VIEL Auslauf!).

Wir haben uns vom selben bösen Nachbarshund beißen lassen (und werden es ihm, bei Gelegenheit, gemeinsam heimzahlen).

 

 

Wir haben dein Talent für die Arbeit sowohl im Homeoffice, als auch als Bürohund entdeckt (und gefördert).

Wir haben zusammen für Klausuren gelernt (und du hast stets dafür Sorge getragen, dass ich darüber nie vergesse, dass schnüffeln und spazieren gehen wichtiger ist).

 

spazieren schlaegt arbeit
Fuß

 

Wir haben gemeinsam Lebensmittel gerettet (und dir nachts um ein Uhr ein hochverdientes fabelhaftes Mitternachtsmahl mit Bio-Putenbrust für 15 Euro pro 100g gezaubert).

Wir haben gelernt, wie man seine (Hinter-)Füße waschen kann und dabei zum Zerfließen niedlich aussieht (Maul auf, Fuß in den Rachen stecken, kauen und würgen, rausziehen, ablecken, umsetzen, anderer Fuß).

 

Wir

 

 

Wir haben gesehen, dass zwei erwachsene Menschen, die sich viel auf ihren Intellekt einbilden, und ein hinreißender Hund die ulkigsten, einfältigsten Lieder schöpfen können (die dann als „Hunde-Lieder“ in die Familenchronik eingehen).

 

 

 

 

Wir haben erfahren, dass der Herr und du die gleiche Schuhgröße habt (blöder Menschenscherz).

Schuhe

 

Wir haben das erste und einzige Gebot gelernt: „Ich bin der Hund, dein Schatz, du sollst keine anderen Hunde haben neben mir.“ (und wir feiern tagtäglich Hundedienst – in Dogs we trust).

Und vor allem haben wir viel geschmiegt, gekuschelt und einander geliebt.

 

Hund und Herrin
HundHerr

 

 

 

 

 

 

 

Mein Dagur, oft sehe ich dich an und kann nicht fassen, dass wir dich haben. Dass du uns hast. Lass uns noch viele gemeinsame Hundetage feiern.

Jetzt stupst du mich an, weil ich wieder so lange am Computer gesessen habe, ohne eine Hand zum Streicheln frei zu haben. Oh, wie ist das schlimm, so schlimm! Und natürlich weißt du, dass es fünf Minuten vor Spaziergang ist und bist entrüstet, dass ich das nicht schon vor 50 Minuten gemerkt habe. Terror-Schatz! Lass mich noch eben diesen Text zu deinem Hundetag fertig… Hey, nein, nicht die Schnauze auf den Laptop… Krach-kawum – jetzt ist es passiert. Hoffentlich ist die Datei automatisch zwischengespeichert worden, ich wollte meinem Schwätzchen doch so gerne eine kleine Ode zum Hundetag schreiben. Aber es stimmt: Spazierengehen ist wichtiger. Und wir haben dir einen extra großen Spaziergang zur Feier des Tages versprochen! Ich komm’ ja schon, mein Schatz.

 

Pfoten