Aus der Woche gegriffen

Retired

Retired from Life

Die Tasse, aus der wir trinken, hat uns ein Kommilitone geschenkt. Er erhielt sie in einer Sammlung Hausrat, den er für wenige Dollar bei einer Haushaltsauflösung erstanden hat. Aus dieser Tasse hat noch vor wenigen Wochen jemand getrunken, der jetzt nicht mehr ist.

Die Tasse trägt die Aufschrift „Retired – twice the time, half the money“, frei übersetzt: “Ruhestand – die doppelte Zeit bei der Hälfte des Einkommens”. Sie ist also eine dieser Tassen, die geschenkt werden, damit der ulkige Spruch über die Übererfüllung des Bedarfs an wirklich nützlichen Geschenken und die Ideenlosigkeit des Schenkers zu wirklich bewegenden Gaben hinwegtäuschen möge.

Hat der damals frischgebackene Rentner und heute jüngst Verstorbene wohl über die bemüht-lustige Botschaft geschmunzelt? Hat er die zwischenmenschliche Leere gespürt, die dem bunt bedruckten Billigkrug anhaftet, als er daraus seinen Kaffee nippte? Hat er vielleicht seinen letzten Schluck Kamillentee daraus getrunken, bevor er aus dem Leben schied?

Jetzt steht die Tasse auf unserem Tisch und wir sind froh, sie für die Zeit unseres Amerika-Jahres in unserem provisorischen Haushalt zu haben. Wenn wir heimkehren, werden wir sie an andere jungdynamische Yale-Studenten verschenken. Sie hat noch einen langen Dienst vor sich, während ihr einstiger Besitzer schon längst aus dem Irdendienst geschieden ist – „Retired from life“ – und Geld wie Zeit bedeutungslos geworden sind.