Briefe an Bekannte

Wie gehe ich damit um, wenn Bekannte Pelz tragen? Der erste Impuls ist sicher ein emotionales Aufbegehren "Wie kann jemand, den ich mag, nur so etwas tun?" Aber wie immer lohnt es, diesem Impuls sein Recht, ihn aber dann vorübergehen zu lassen.
Und da Offenheit in den weit überwiegenden Fällen das Mittel der Wahl für gelingendes menschliches Miteinander ist, ist man auch in diesem Fall gut beraten, schlicht und einfach zu sagen, wie es ist:

Liebe Frau X,

ich hoffe, Sie sind gut in den Ferien angekommen und genießen die ersten Frühlingstage. Ich selbst bin etwas erschöpft in die Ferien gepurzelt, die zwar „schulfrei“, aber erst recht ereignisreich zu werden versprechen.

Ich weiß nicht mehr, ob wir einmal darüber sprachen: Neben dem Beruf bin ich vor allem für die Berufung aktiv. Ich initiiere und leite mitweltpädagogische Projekte, bin dafür z.T. in ganz Deutschland als Beraterin und Botschafterin unterwegs und widme mich in der verbleibenden Zeit verschiedenen politischen und meinungsbildenden Aufgaben.

Warum ich dies so ausführlich darlege? Dies ist nicht nur der Hintergrund, vor dem ich tagtäglich in die Welt hinaus blicke, sondern somit auch für mein Anliegen, aufgrund dessen ich mich an Sie wende und das wohl vielen verschwindend unwichtig erschiene - mir jedoch wichtig ist.

Vor einigen Wochen war ich im Lehrerzimmer, um ins Internet zu gehen. An einem Stuhl sah ich eine Jacke mit Pelzbesatz hängen, die sich kurze Zeit später bei Ihrer Rückkehr ins Lehrerzimmer als Ihre erwies. Dies hat mir einen zweifachen Stich ins Herz versetzt. Dies zum einen, weil die Aufklärung über Pelzmode eines meiner wichtigsten idealistischen Anliegen ist; zum anderen, weil sich mir so das auftat, was der Psychologe „kognitive Dissonanz“ nennt: eine Kluft zwischen widerstreitenden Haltungen – meiner Sympathie für Sie einerseits und meinem Kummer über die Tatsache, dass Sie wie so viele Menschen durch ihren modebewussten Kauf (womöglich unwissentlich) zum Leid von Abermillionen Pelztieren beitragen.

 Mir unbekannten Pelzträgern übergebe ich freundlich ein Flugblatt mit Informationen über die scheußliche Kehrseite der schönen Mode. In Ihrem Falle hatte ich erwogen, Ihnen unerkannt ein solches zukommen zu lassen, über das Fach wäre es ja ein Leichtes gewesen, um Sie nicht persönlich zu kompromittieren und unsere „berufliche“ Beziehung nicht zu belasten. Aber solch ein „Hintenherum“ entspricht nicht meinem Wesen und daher versuche ich Ihnen nun in aller Offenheit meine Gedanken darzulegen - in der Hoffnung, dass ich Ihnen damit nicht zu nahe trete.

Ganz gleich, aus welchem Grunde Sie Pelz tragen, ob es eine bewusste Entscheidung oder ein argloses Tun war – ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich ein wenig Zeit nähmen, um sich die Tragweite dessen vor Augen zu führen.

Ich möchte dazu auf meine eigene Seite www.pelz-war-leben.info verweisen, eine kleine google-Suche führt Sie ggf. leicht weiter.

Es ist dabei nicht mein Bestreben, jedes Gegenüber zum lupenreinen Veganer zu erziehen und diejenigen, die diesem Ideal nicht gerecht werden, an den moralischen Pranger zu stellen. Aber ich möchte ein Bewusstsein für das eigene Handeln erreichen, das in unserem stressigen Alltag, in dem wir es kaum noch schaffen, unser selbst bewusst zu sein, unterzugehen droht.

Ich hoffe auf Ihr Verständnis meiner besten Absichten und verbleibe mit lieben Grüßen und guten Wünschen für eine schöne Osterzeit,

Uta Maria Jürgens

 

- Der Text darf übernommen und in angepasster Form verwendet werden -